Schaut man sich die Karriereseiten von Unternehmen an, wird schnell deutlich, dass sich nur wenige sowohl der Bedeutung der sogenannten Interaktionskosten als auch der Wichtigkeit dieses für den Rekrutierungserfolg essentiellen Mediums bewusst sind. Oder sagen wir es so: Die wenigsten sind sich der Bedeutung einer guten UX bewusst, die sich entscheidend auf die Candidate Experience und damit auf den Recruiting-Erfolg auswirkt.
Jeder Klick zu viel, den ein Interessent auf dem Weg zur Bewerbung machen muss, verursacht sogenannte Interaktionskosten. Und diese wiederum wirken sich auf die Cost of Vacancy aus. Anders gesagt:
Eine schlechte Karriereseite kommt Unternehmen teuer zu stehen.
Wie kann das sein, wirst du nun vielleicht fragen.
Interaktionskosten im Bewerbungsprozess
Dazu müssen wir erst einmal klären, was Interaktionskosten eigentlich sind. UX-Guru Jakob Nielsen gibt uns die Antwort:
„Interaction cost is the sum of efforts — mental and physical — that users must deploy in interacting with a digital product in order to reach their goals.“
Interaktionskosten sind also die Summe der mentalen und physischen Anstrengungen, die ein Nutzer bei der Interaktion mit einer (Karriere-)Website aufwenden muss, um seine Ziele zu erreichen. Also einerseits kognitiv zu verstehen, was sich wo oder hinter welchem Menüpunkt verbirgt, und andererseits durch Anklicken herauszufinden, was dann passiert.
Der heilige Gral der Usability sind null Interaktionskosten
Laut Jakob Nielsen ist die ideale User Experience dann erreicht, wenn die gesuchten Antworten – wie der Zugang zur Karriereseite, der Link zu den Stellenangeboten oder eine intuitive Jobsuche – sofort und ohne Umwege verfügbar sind. Dies wäre gleichbedeutend mit null Interaktionskosten, dem „heiligen Gral“ der Usability. Eine bewerberzentrierte Karriereseite reduziert also die Interaktionskosten, die notwendig sind, um die gesuchten Ziele (z. B. Jobs) zu erreichen, auf ein absolutes Minimum.
Fehlende Bewerbungsarchitektur bedeutet fehlende Bewerber
Leider wird dieser Grundsatz auf vielen Karriereseiten ignoriert. Eine fehlende Bewerbungsarchitektur führt dann zu unnötigen Hürden und Frustration beim potenziellen Bewerber (und wegen der ausbleibenden Bewerbungen auch beim Recruiter).
Typische Beispiele dafür sind Zwangsregistrierungen, mangelhafte und/oder nicht mobil optimierte Bewerbungsformulare oder komplexe bzw. unübersichtliche Navigationsstrukturen. Diese Hürden führen nicht nur zu einer schlechten Candidate Experience, sondern können sich auch direkt auf die Cost of Vacancy auswirken.
Ein Beispiel aus der Praxis: Interaktionskosten auf einer Karriereseite
Die folgende Analogie zeigt, wie Interaktionskosten durch schlecht gestaltete Karriereseiten entstehen:
Aufrufen der Karriereseite
Der Nutzer ruft die Karriereseite auf, sucht nach dem Navigationsmenü und findet dies gut versteckt hinter einem Burger-Button.
Suche nach Stellenangeboten
Der „Jobs“-Button ist nicht direkt sichtbar. Nutzer scrollen und durchsuchen die Seite, bis sie den Button finden.
Zur Stellenübersicht/zum Jobportal navigieren
Der Button führt zu einer Zwischenseite mit allgemeinen Informationen anstatt direkt zur Jobliste.
Stellenliste durchsuchen
Eine übersichtliche Liste der Stellenangebote wird angezeigt. Weitere Stellenangebote können nur durch Blättern gefunden werden, es gibt keinen intuitiven „Mehr laden“-Button.
Suchfunktion verwenden
Die angebotene Suchfunktion berücksichtigt nur den Stellentitel, der nicht der Suchintention des Nutzers entspricht und liefert keine brauchbaren Ergebnisse.
Filter verwenden
Der Nutzer wählt die alternativ angebotenen Filteroptionen, nur um festzustellen, dass diese keine oder irrelevante Ergebnisse liefern.
Bewerbungsformular öffnen
Nach dem Klick auf „Jetzt bewerben“ wird der Nutzer aufgefordert, sich zu registrieren und ein komplexes Formular auszufüllen.
Bewerbung abschließen
Obwohl ein Lebenslauf hochgeladen wurde, müssen Daten manuell eingegeben werden, bevor die Bewerbung abgeschickt werden kann.
Oft ist auch der Button „Bewerbung absenden“ kaum wahrnehmbar.
Eine durchdachte Bewerbungsarchitektur reduziert die Interaktionskosten
Jeder dieser Schritte stellt für den Nutzer einen unnötigen Aufwand dar, der die Interaktionskosten in die Höhe treibt und die Wahrscheinlichkeit von Bewerbungsabbrüchen deutlich erhöht.
Ich könnte jede Menge weitere Beispiele aufführen, aber es sollte auch so deutlich geworden sein, wie wichtig eine durchdachte Bewerbungsarchitektur ist. Denn es entstehen nicht nur unnötige Interaktionskosten beim Jobsuchenden, also dem potenziellen Bewerber und damit potenziellem Mitarbeiter, sondern in der Folge auch enorme Kosten für die Unternehmen durch unnötig lange unbesetzte Stellen.
Direkter Zusammenhang zwischen Interaktionskosten und Cost of Vacancy
Denn natürlich stehen die Interaktionskosten, die einem potenziellen Bewerber auf der Karriereseite entstehen, in einem direkten Zusammenhang mit der Königin der Recruiting-Kennzahlen, der Cost of Vacancy (C.O.V.).
Noch einmal zur Erinnerung: C. O. V. sind die Kosten, die entstehen, wenn eine Stelle nicht besetzt werden kann. Die auch für deine Budgetverhandlungen essentielle Kennzahl ergibt sich aus der Vakanzzeit, dem Bruttojahresgehalt einer Stelle, der durchschnittlichen Jahresarbeitszeit und einem Faktor, der angibt, welchen strategischen Wert die zu besetzende Stelle für das Unternehmen hat.
Da sich die Vakanzzeit direkt auf die Cost of Vacancy auswirkt und jeder Tag, an dem eine Stelle unbesetzt bleibt, Kosten verursacht, sind diese für ein Unternehmen umso höher, je länger eine Stelle unbesetzt bleibt.
Ein ineffizienter Bewerbungsprozess erhöht die Cost of Vacancy
Wird die Candidate Experience negativ wahrgenommen, z. B. wegen schlecht auffindbarer Inhalte, einer nicht durchdachten Jobsuche oder einer Zwangsregistrierung, führt dies zu Bewerbungsabbrüchen.
Ein ineffizienter Bewerbungsprozess wiederum kann die Vakanzzeit erheblich verlängern. Kommt es also aufgrund zu hoher Interaktionskosten zu Bewerbungsabbrüchen,
kann dies dazu führen, dass Unternehmen oft monatelang auf qualifizierte Bewerber verzichten müssen, während die Kosten für unbesetzte Stellen, die Cost of Vacancy, munter steigen.
„Auf einen Blick, mit einem Klick“ muss daher die Devise bei der Gestaltung von Karriereseiten lauten. Denn natürlich ist es unser Ziel, dass die Nutzer unserer Karriereseite sofort Antworten auf ihre Fragen finden und als Happy End die Bewerbung in unserem Postfach landet.
Fazit: Interaktionskosten minimieren, Recruiting-Erfolg maximieren
Jeder unnötige Klick, jede schlecht durchdachte Navigation und jede zusätzliche Hürde erhöhen die Interaktionskosten, verschlechtern die Candidate Experience und erhöhen das Risiko von Bewerbungsabbrüchen – was wiederum die Vakanzzeit und damit die Cost of Vacancy erhöht.
Unternehmen, die diese Kosten durch nutzerfreundliche Karriereseiten und einfache Bewerbungsprozesse minimieren, profitieren von geringeren Abbruchquoten, kürzeren Vakanzzeiten (= schneller besetzte Stellen = geringere C. O. V.) und einer gestärkten Arbeitgebermarke.
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