Wenn wir ein Produkt oder Gegenstände im Alltag nutzen, sollte das intuitiv möglich sein. Wir haben im Laufe der Jahre „gelernt“, wie etwas funktioniert oder glauben aufgrund von Gewohnheiten, wie man etwas intuitiv nutzen kann. Das gilt natürlich auch für eine App oder Website: Wir haben bestimmte Erwartungen darüber, wo auf der Seite sich bestimmte Elemente befinden, wie sie funktionieren, welche Schritte wir unternehmen müssen, um unser Ziel zu erreichen, oder was passiert, wenn wir auf diesen oder jenen Button klicken. Diese Erwartungen werden als mentales Modell bezeichnet.
Das mentale Modell
Ein mentales Modell beschreibt, wie Benutzer ein System oder Produkt wahrnehmen und welche Funktionsweise sie erwarten. Zu solchen Systemen zählen auch Karriere-Websites, das Stellenportal einer Karriereseite und dessen Jobsuch-Funktionalität oder auch der Bewerben-Button und das Bewerbungsformular mit dem Absenden-Button.
Das mentale Modell basiert auf Erfahrungen
Das mentale Modell basiert nicht auf Fakten, sondern vor allem auf den Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, und auf dem, was wir glauben, über das System (Karriereseite, Stellenbörse, Bewerbungsprozess, etc.) zu wissen. Dabei verbringen wir unsere Onlinezeit überwiegend auf Websites wie Spiegel, Netflix, Amazon, Google, YouTube. Lieferando oder Wikipedia – und deutlich weniger auf Karriereseiten. Und während viele uns Netflix-Poweruser sein mögen, verbringen wir doch nur einen geringen Teil unseres Lebens mit der Suche nach einem neuen Arbeitgeber oder nach Jobs und die meiste Zeit mit anderen Aktivitäten.
Nutzer erwarten, dass sich Websites und Apps ähnlich verhalten
Vor allem aber besuchen wir jede Menge Websites, die eben nicht Karriereseiten sind. Ein Großteil der mentalen Modelle, die potenzielle Bewerber in Bezug auf eine Karriereseite haben, werden also von Informationen und (Nutzungs-)Erfahrungen beeinflusst, die sie auf anderen Websites gesammelt haben.
Wenn eine Funktion mit der Bezeichnung X auf Website A zu Resultat Y geführt hat, wird also angenommen, dass sich dies auch auf Website B, Website C, Website D usw. so verhält. Wir erwarten, dass sich Websites ähnlich verhalten, dass eine Navigation ähnlich aufgebaut ist, dass eine Funktion zu diesem und jenem Ergebnis führt. Ist dies nicht der Fall, führt dies zu Frustration und Irritation und zu einem (mentalen) Mehraufwand, um diese anderen Strukturen/Funktionsweisen zu verstehen.
UX-Guru Jakob Nielsen definiert dies als „Jakob’s Law of Internet User Experience“ und bringt damit auf den Punkt, was einem sowohl der gesunde Menschenverstand sagt, als auch die eigene Erfahrung am lebenden Objekt bestätigt.
Nutzer, also Jobsuchende oder an einem Arbeitgeber Interessierte, erwarten also z. B., dass eine Bewerbung genauso unkompliziert abläuft wie eine Bestellung bei Amazon oder Lieferando, eine Überweisung per Smartphone, eine Nachricht per WhatsApp oder der Weg zum schnellen Liebesglück auf Tinder – schnell, einfach und ohne Hürden oder ohne darüber nachgrübeln zu müssen, was nun passieren könnte. Die goldene UX-Regel „Don’t make me think“ eben.
Karriereseite und Bewerbungsprozess analog zum mentalen Modell gestalten
Diese Überzeugungen und Erwartungen, die wir durch andere Websites entwickeln, beeinflussen also auch die Art und Weise, wie du deine Karriere-Website, das in die Karriereseite integrierte Jobportal sowie die Stellenanzeige und den gesamten Bewerbungsprozess idealerweise gestalten solltest –
nämlich daran orientiert, wie Nutzer = Jobsuchende = potenzielle Bewerber auf der Grundlage ihres mentalen Modells handeln.
Und nicht an deinem Spieltrieb, deinem Ego oder dem des Designers, der aus dem Käfig der üblichen Web-Konventionen ausbrechen und mal ganz was Verrücktes machen will. Ganz zu schweigen von den Anbietern von Recruiting-Software, die nur allzu häufig in alten Paradigmen verhaftet sind und von nutzerzentrierten und zeitgemäßen Anwendungen ungefähr so viel verstehen wie Trump von Empathie und Diplomatie. Also nichts.
Und wenn ein System nicht so funktioniert, wie man es erwartet, führt das bei seinen Nutzern zu Irritationen und Verwirrung. In Bezug auf eine Karriereseite bedeutet dies, dass Bewerbungen abgebrochen werden und somit Stellen unnötig lange unbesetzt bleiben.
Karriereseiten funktionieren oft nicht wie erwartet
Einige Beispiele sollen das illustrieren. So haben bspw. die meisten Menschen gelernt, dass der Zurück-Button sie immer nur einen Schritt zurück in den vorherigen Zustand des Systems bringt. So funktioniert ihr mentales Modell. Das Problem: Oft funktioniert es eben nicht so, wie erwartet.
So hält man es z. B. für selbstverständlich, dass nach dem Öffnen eines Pop-ups, eines Bewerbungsformulars oder eines Akkordeon-Elements der Zurück-Button zur vorherigen Position führt – und nicht auf die zuvor besuchte Seite (oder im Falle mancher Anbieter von Recruiting-Software: auf dessen originäre Plattform und somit ins Nirvana). Im schlimmsten Fall werden sogar alle Formularfelder gelöscht, die man ausfüllen musste, obwohl man seinen Lebenslauf hochgeladen hatte, und muss mit der Bewerbung wieder von vorn anfangen.
Beispiele für mentales Modell vs. Realität im Kontext einer Karriereseite
Hier sind einige zusätzliche Beispiele für Diskrepanzen zwischen dem mentalen Modell der Nutzer und der Realität auf einer Karriereseite:
Jobportal erwartet, aber nur auf Infoseite gelandet
Mentales Modell des Nutzers: Der Nutzer erwartet, dass der „Jobs“-Button direkt zum Jobportal führt, wo er sofort auf Stellenangebote/die Jobsuche zugreifen kann.
Die Realität: Stattdessen wird eine Zwischenseite mit dem Hinweis angezeigt, bitte schön noch einmal zu klicken, um dann endlich zur Jobsuche bzw. den tatsächlichen Stellenangeboten zu gelangen.
Die Folgen für den Recruiting-Erfolg: Die umständliche Nutzung sorgt für Frustration und infolgedessen für Seiten- und damit Bewerbungsabbrüche.
Relevante Ergebnisse erwartet, keine oder irrelevante Stellen gefunden
Mentales Modell des Nutzers: Der Nutzer geht davon aus, dass die Jobsuche so funktioniert, wie er das von Google oder Amazon kennt – eine intuitiv bedienbare Volltextsuche mit automatischen Vorschlägen (Autosuggest).
Die Realität: Viele Jobportale berücksichtigen bei der Suche lediglich den Stellentitel, und/oder es gibt oft keine sinnvolle Autovervollständigung. Wenn der Nutzer beispielsweise „PHP“ eingibt, erhält er keine Treffer, da die Suche nur den Stellentitel „Softwareentwickler“ berücksichtigt, indem dieses Merkmal aber nicht auftaucht – obwohl PHP-Entwickler gesucht werden.
Die Folgen für den Recruiting-Erfolg: Stellen, die besetzt werden könnten, wenn sie auffindbar wären, werden nicht besetzt.
Einfache Bewerbung erwartet, kompliziertes Bewerbungsformular gefunden
Mentales Modell des Nutzers: Der Bewerber erwartet, dass (neben der Eingabe von Name und E-Mail-Adresse) ein Upload des Lebenslaufs ausreichend ist und daher weitere Angaben nicht nötig sind.
Die Realität: Obwohl der Lebenslauf hochgeladen wurde, muss der Bewerber viele Informationen wie Ausbildung und Berufserfahrung manuell in separate Felder eintragen. Diese „doppelte Dateneingabe“ schreckt viele Bewerber ab.
Die Folgen für den Recruiting-Erfolg: Aufgrund umständlicher Bewerbungsprozesse gibt es viele Bewerbungsabbrüche und Stellen bleiben länger vakant.
Einfache Bewerbung erwartet, Zwangsregistrierung gefunden
Mentales Modell des Nutzers: Der Nutzer erwartet, eine Bewerbung schnell und ohne Hürden abschließen zu können, ähnlich wie bei einem unkomplizierten Online-Kauf ohne Kontoerstellung.
Die Realität: Einige Karriereseiten verlangen, dass sich Nutzer vor einer Bewerbung zuerst registrieren und ein Konto erstellen. Captchas stellen oft eine zusätzliche, unnötige Hürde dar. Nicht selten sind Bewerbungsabbrüche die Folge.
Die Folgen für den Recruiting-Erfolg: Aufgrund umständlicher Bewerbungsprozesse gibt es viele Bewerbungsabbrüche und Stellen bleiben unnötig lange unbesetzt.
Intuitive Navigation und klare Strukturen erwartet, Blingbling, Medienbruch und mangelhafte UX gefunden
Mentales Modell des Nutzers: Der Nutzer erwartet, dass das Design einer Karriereseite gängigen Web-Konventionen entspricht, die Navigation intuitiv ist und er auf dem schnellsten Weg und ohne Medienbrüche zu den gesuchten Informationen und/oder zur Jobsuche gelangt.
Die Realität: Um aufzufallen oder sich zu differenzieren, werden auf einigen Karriereseiten unkonventionelle oder spielerische Ansätze verwendet, die die intuitive Bedienung unnötig erschweren oder unmöglich machen. Dies führt zu Irritation und zu Seitenabsprüngen. Gleiches gilt für harte Medien-, Design- und UX-Brüche, wenn der Nutzer von einer modern anmutenden Karriereseite auf ein von der UX mangelhaft gestaltetes Jobportal eines ATS-Anbieters geführt wird.
Die Folgen für den Recruiting-Erfolg: Aufgrund mangelhafter, nicht am Nutzer orientierter Karriereseiten bleiben Inhalte oder Jobs unauffindbar und infolgedessen Stellen länger vakant.
Mobil optimierte Karriereseite erwartet, wenig intuitiv nutzbare Karriereseite/ Stellenanzeige/ Bewerbungsformulare gefunden
Mentales Modell des Nutzers: Nutzer erwarten eine mobil optimierte Karriereseite und Bewerbungsprozesse, die ebenso intuitiv und einfach zu nutzen sind, wie auf dem Desktop.
Die Realität: Viele Karriereseiten sind nicht oder nur schlecht für mobile Geräte optimiert, was zu Problemen bei der Anzeige von Inhalten und bei der Nutzung von Jobsuche und/oder Bewerbungsformularen führt. Die Formulare sind nicht für die mobile Nutzung optimiert und verlangen vom Nutzer oft Dokumente, die nur wenige auf dem Smartphone (oder in der Cloud) haben (Lebenslauf, Anschreiben, Zeugnisse).
Die Folgen für den Recruiting-Erfolg: Aufgrund wenig intuitiver Nutzbarkeit des Angebots kommt es zu Bewerbungsabbrüchen, Stellen bleiben unbesetzt.
Usw. usf.
Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig es ist, das mentale Modell der Nutzer zu verstehen und bei der Gestaltung einer Karriereseite zu berücksichtigen, um Bewerbern ein nahtloses und angenehmes Erlebnis zu bieten – und die Gefahr von Bewerbungsabbrüchen auf ein Minimum zu reduzieren.
Das mentale Modell hilft uns bei der Gestaltung der Karriereseite
Anstatt die Karriereseite also nach unseren eigenen Vorstellungen zu gestalten, ermöglicht das Verständnis (und die Berücksichtigung) mentaler Modelle, bessere Entscheidungen über Aufbau und Funktionen im Sinne der Zielgruppe zu treffen. Mentale Modelle helfen uns, die Bedürfnisse, Erwartungen und Verhaltensweisen der Nutzer zu verstehen und in die Gestaltung der Karriereseite einfließen zu lassen.
Entspricht die UX der Karriereseite nicht dem mentalen Modell des Nutzers, kostet das Bewerber
Warum ist es so entscheidend, das mentale Modell der Nutzer im Kontext einer Karriereseite zu berücksichtigen? Die kurze Antwort:
Weil du sonst deinen Recruiting-Erfolg aufs Spiel setzt.
Die ausführliche Antwort: Weil es zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann, wenn das mentale Modell der Nutzer nicht mit deiner Karriereseite, deinem Stellenportal oder deinem Bewerbungsprozess übereinstimmt. Nutzer verstehen dann möglicherweise nicht, was gerade passiert ist oder welchen Schritt sie als Nächstes unternehmen sollen – und das betrifft nicht nur unerfahrene Internetnutzer, sondern auch versierte Online-Profis.
So habe ich in den letzten mehr als 20 Jahren tausende von Karriereseiten gesehen, von denen mich viele oft auf eine harte Geduldsprobe gestellt haben, weil sie einfach nicht intuitiv zu bedienen waren und der Weg zur Bewerbung umständlich bis unmöglich war. Bei jemandem wie mir, der eine Karriereseite nur auf Herz und Nieren prüft, löst das Unverständnis aus. Bei potenziellen Bewerbern den Fluchtreflex. Aber das scheint den wenigsten Unternehmen wirklich bewusst. Ansonsten, so unterstelle ich einmal wohlwollend, würden sie es wahrscheinlich anders machen und bei der Umsetzung einer Karriereseite bewusster vorgehen.
Bewerber fühlen sich durch schlecht umgesetzte Karriereseiten überfordert
Selbst wenn der Nutzer die Abläufe nachvollziehen kann, kann es vorkommen, dass er sich dann für die (Bedienungs-)Fehler verantwortlich fühlt, die eigentlich auf mangelnde Kompetenz von Designern, Entwicklern, Agenturen, Recruitern oder Anbietern von Recruiting-Software zurückzuführen sind.
Viele Nutzer empfinden die Nutzung der Karriereseite und den Bewerbungsprozess dann als überwältigend und sind überfordert (kein Wunder, wenn man die Gestaltung mancher E-Recruiting-Systeme betrachtet, die den Bewerber weiterhin als „Erfüllungsgehilfen der Personalabteilung“ behandeln und von Unternehmen auch so auf ihren Karriereseiten eingebunden werden).
So entsteht schnell der (oft berechtigte) Eindruck, dass die Karriereseite des Unternehmens schlecht funktioniert oder das Unternehmen mehr daran interessiert ist, es den Recruiting-Verantwortlichen so einfach wie möglich zu machen, als sich auf die Generierung passender Bewerbungen und einen wertschätzenden Umgang mit zukünftigen Mitarbeitern zu konzentrieren.
Mangelndes Interesse am Jobsuchenden führt zu Bewerbungsabbrüchen
All dies kann dann dazu führen, dass sich der Nutzer = Jobsuchende = potenzielle Bewerber
- nicht verstanden oder wertgeschätzt fühlt,
- die Karriereseite als unprofessionell wahrnimmt und
- aufgrund dieser negativen Erfahrung die Karriereseite auf Nimmerwiedersehen verlässt oder
- den Bewerbungsprozess abbricht, um sein Glück bei einem der anderen Arbeitgeber zu versuchen, die ihm in Scharen zu Füßen liegen und ihn mit professionellen und wertschätzenden Bewerbungsprozessen umschmeicheln.
Was für dich wirklich fatal wäre. Denn derjenige, der zunächst an dir als Arbeitgeber und an deinen Jobs interessiert war und sich eigentlich bei dir bewerben wollte, bricht in solchen Fällen die Bewerbung ab und wendet sich dem nächsten Arbeitgeber zu, der nur einen Mausklick entfernt wartet.
Das mentale Modell zu verstehen, ist entscheidend für den Recruiting-Erfolg
Bei der Umsetzung einer Karriereseite ist es enorm wichtig und entscheidend für deinen Recruiting-Erfolg, die mentalen Modelle deiner Nutzer zu verstehen und Kandidaten in den Mittelpunkt zu stellen (Candidate Centricity), um sicherzustellen, dass deine Karriereseite, das integrierte Stellenportal samt Stellenanzeigen sowie der Bewerbungsprozess so gestaltet sind, dass sie diesen Erwartungen entsprechen. Und nicht deine Wünsche nach einem für dich möglichst bequemen Bewerbungsprozess oder einer Firlefanz-und-Bling-Bling-Karriereseite, um dir selbst ein Denkmal zu setzen und/oder einen Award dafür einzuheimsen.
Merke:
Ein potenzieller Bewerber ist weder der Erfüllungsgehilfe der Personalabteilung noch das Versuchskaninchen für einen neuen Webtrend, für ein Design fernab jeglicher Nutzerfreundlichkeit oder für die Inkompetenz und Ignoranz der Anbieter von Recruiting-Software.
Denn dann ist er die längste Zeit ein potenzieller Bewerber gewesen. Zumindest, was seine Entscheidung für dich als potenziellen Arbeitgeber betrifft.
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Dieser Artikel erschien zuerst auf personalmarketing2null.de und wurde für den Blog der Karriereseiten-Manufaktur neu überarbeitet.