Schon mal etwas von Signaltheorie gehört? Solltest du unbedingt! Denn diese Erkenntnisse zeigen wunderbar und quasi wissenschaftlich belegt auf, welch verheerende Auswirkungen eine negative Canidate Experence auf deine Arbeitgebermarke, dein Recruiting und in letzter Konsequenz auf deinen Unternehmenserfolg haben kann.
Als Michael Spence 1973 seine bahnbrechende Arbeit zur Signaltheorie („Job Market Signaling„) veröffentlichte, war Employer Branding noch kein Thema. Doch seine Erkenntnisse zum Arbeitsmarkt lassen sich problemlos auf die heutige Situation übertragen.
Spences Arbeit basiert auf der Principal-Agent-Theorie: Der Bewerber (Agent) verfügt über mehr Informationen zu seinen Qualifikationen als der Arbeitgeber (Principal). Um diese Informationsasymmetrie zu überwinden, senden Bewerber Signale wie Zeugnisse und Bildungsabschlüsse.
Bedeutung der Signaltheorie heute
Heute hat sich das Blatt gewendet: Der Arbeitgeber als „Agent“ verfügt über mehr Informationen zu allen relevanten Aspekten – vom konkreten Aufgabenprofil über die gelebte Unternehmenskultur und Werte bis hin zu Benefits und Entwicklungsmöglichkeiten. Der potenzielle Bewerber als „Principal“ steht vor der Herausforderung, mit weniger Informationen eine lebensverändernde Entscheidung zu treffen – nämlich einen Job zu finden, der seinen Erwartungen entspricht.
Um diese Informationsasymmetrie auszugleichen, senden Arbeitgeber gezielt Signale, die Unsicherheiten abbauen und zur Bewerbung motivieren sollen. Das Ziel: eine positive Selbstselektion, bei der sich die wirklich passenden Kandidaten bewerben. Arbeitgeber, die auf sich aufmerksam machen wollen, schalten nun also Stellenanzeigen, gestalten eine Karriereseite, sind auf (a)sozialen Netzwerken aktiv oder besuchen Jobmessen.
Die Doppelnatur der Arbeitgebersignale
Das Problem: Viele Arbeitgeber sind sich nicht bewusst, dass sie neben den bewussten Signalen auch unterschwellige Signale aussenden, die oft eine stärkere Wirkung als die bewusst gesendeten haben.
Bewusst gesendete Signale:
- Karriereseiten
- Employer Branding-Kampagnen
- (mehr oder minder) kreativ gestaltete Stellenanzeigen
- aufwendig produzierte Mitarbeitervideos
- Präsenz auf Karrieremessen
- Social Media Accounts
- „Corporate Influencer“
- usw.
Hier stellt sich allerdings die Frage, ob es sich tatsächlich um „bewusst“ gesendete Signale handelt. Denn wenn sich die Unternehmen wirklich der vollen Tragweite ihres Handelns bewusst wären, wäre der Anteil der überwiegend als negativ wahrgenommenen und „unterschwellig“ gesendeten Signale vermutlich geringer.
Es wäre also zutreffender, von „gewollten“ und „ungewollten“ Signalen zu sprechen (Spence selbst spricht von expliziten und impliziten Signalen). Werfen wir einen Blick auf die unterschwellig gesendeten Signale im Kontext einer Karriereseite.
Unbewusst gesendete Signale:
- Eine versteckte oder lieblos gestaltete Karriereseite
- Fehlende oder unzureichende Informationen zur Selbstselektion
- Dysfunktionale Jobsuche oder schwer auffindbarer ‚Jetzt bewerben‘-Button
- Zwangsregistrierung vor der Bewerbung
- Überkomplexe Bewerbungsformulare
- Unpersönliche oder fehlende Rückmeldungen auf Bewerbungen
- usw.
Sowohl die „bewusst“, d. h. gewollt, gesendeten Signale als auch die unbewusst („unterschwellig“) mitgesendeten Signale werden auf Bewerberseite als Indikatoren für die unterschiedlichsten Dinge interpretiert – etwa die Unternehmenskultur, die Innovationsfähigkeit des Unternehmens, die Professionalität des Recruitings und vieles mehr.
Unterschwellige Signale wirken sich negativ auf die Arbeitgebermarke aus
Leider wirken diese unterschwelligen Signale oft deutlich stärker als die bewussten und vermitteln häufig den Eindruck von Unprofessionalität, mangelndem Interesse an Bewerbern und fehlender Wertschätzung und einem geringen Stellenwert von Recruiting im Unternehmen.
Die „Lower Level Equilibrium Trap“: Eine sich selbst verstärkende Negativspirale
Dieser fatale Effekt manifestiert sich in der von Spence beschriebenen „lower level equilibrium trap“ – einem sich selbst erhaltenden Zustand auf niedrigem Niveau, aus dem es nur schwer ein Entrinnen gibt.
Im Kontext von Recruiting und Karriereseiten stellt sich die „lower level equilibrium trap“ wie folgt dar:
Erleben potenzielle Bewerber eine negative Candidate Experience, leidet darunter auch die Arbeitgebermarke –
es entsteht ein schlechtes Arbeitgeberimage. Das Ganze setzt nun eine Abwärtsspirale in Gang, in der sich die negativen Effekte gegenseitig verstärken. Das Ergebnis ist ein sich selbst erhaltendes, unerwünschtes Gleichgewicht auf niedrigem Niveau.
Je länger dieser Kreislauf anhält, desto schwieriger wird es, ihn zu durchbrechen und es entsteht ein wahrer Teufelskreis – ein charakteristisches Merkmal der „lower level equilibrium trap“.
Der Teufelskreis einer negativen Candidate Experience
Dieser Teufelskreis, der durch die unterschwelligen negativen Signale ausgelöst wird, verstärkt sich mit jeder Phase und kann in fünf Phasen unterteilt werden:
Phase 1: Ausgangssituation mit schwachen Signalen
- Veraltete oder unprofessionelle Karriereseite: Oft das Ergebnis fehlender Budgetpriorisierung oder eines mangelnden Verständnisses für eine positive Candidate Experience.
- Intransparente oder komplizierte Bewerbungsprozesse: Häufig bedingt durch veraltete oder wenig nutzerfreundliche ATS oder den Wunsch, möglichst viele Informationen vom Bewerber zu erhalten („Der Bewerber als Erfüllungsgehilfe der Personalabteilung“).
- Fehlende Einblicke in Unternehmenskultur und Benefits; fehlende Inhalte, die zur Selbstselektion geeignet sind: Häufig resultierend aus Unsicherheit oder Unwissenheit über die eigene Arbeitgebermarke, mangelnder interner Kommunikation oder schlichtweg fehlendem Verständnis von Recruiting.
- Fehlende oder mangelhafte Kommunikation mit Bewerbern: Häufig aufgrund von Überlastung des Recruiting-Teams, fehlenden Prozessen für Bewerber-Feedback oder einfach einem mangelnden Verständnis von Recruiting.
Phase 2: Negative Auswirkungen auf den Bewerbungseingang
- Qualifizierte Kandidaten werden abgeschreckt: Potenzielle Bewerber nehmen das Unternehmen als unattraktiv wahr.
- Weniger Bewerbungen insgesamt: Unzureichende Inhalte, Struktur und Funktionalität der Karriereseite führen zu einer negativen Wahrnehmung des Unternehmens als Arbeitgeber. Umständliche, nicht durchdachte Bewerbungsprozesse führen zu Bewerbungsabbrüchen.
- Weniger „Top-Talente“ bewerben sich: Insbesondere Bewerbungen von hochqualifizierte Kandidaten mit hohen Erwartungen an den Bewerbungsprozess bleiben aus.
- Längere Vakanzzeiten: Eine Folge des reduzierten Bewerbungseingangs, der sich insbesondere bei Schlüsselpositionen kritisch auswirkt.
Phase 3: Verschlechterung der Recruiting-Prozesse
- Oberflächlichere Auswahlverfahren: Der Druck, offene Stellen zu besetzen, führt zu weniger sorgfältigen Prozessen.
- Weitere Verschlechterung der Candidate Experience: Überlastete Recruiter haben weniger Zeit für individuelle Betreuung.
- Längere Reaktionszeiten: Die erhöhte Arbeitsbelastung führt zu verzögerten Rückmeldungen und damit zu weiteren Bewerbungsabbrüchen (auch von Kandidaten, die sich bereits im Prozess befinden).
- Weniger proaktives Recruiting: Der Fokus verlagert sich vom strategischen Recruiting auf das „Feuerlöschen“.
Phase 4: Negative Außenwirkung
- Schlechte Bewertungen auf kununu & Co.: Unzufriedene Bewerber teilen ihre negativen Erfahrungen online auf Arbeitgeberbewertungsportalen.
- Negative Mundpropaganda: Schlechte Erfahrungen verbreiten sich in persönlichen und beruflichen Netzwerken.
- Verfestigung der negativen Reputation: Die Summe negativer Signale und Erfahrungen prägt das Image nachhaltig.
- Erschwertes Recruiting: Die Ansprache potenzieller Kandidaten wird durch den Reputationsschaden auf allen Kanälen erschwert.
Phase 5: Der Recruiting-Teufelskreis schließt sich
- Drastischer Rückgang qualifizierter Bewerbungen: Die negative Reputation als Arbeitgeber führt zu einem weiteren Einbruch des Bewerbungseingangs.
- Stellen bleiben länger unbesetzt: Die Suche nach geeigneten Kandidaten wird immer schwieriger, längere Vakanzzeiten sind die Folge.
- Weiter sinkende Ressourcen für Employer Branding (und Recruiting): Budgetkürzungen sind aufgrund der schlechten Ergebnisse möglich, während gleichzeitig mehr Ressourcen für das operative Recruiting benötigt werden.
- Zunehmender Wettbewerbsnachteil: Das Unternehmen fällt im „War for Talents“ immer weiter zurück.
Dieser Teufelskreis, ausgelöst durch unterschwellige negative Signale auf der Karriereseite, verstärkt sich mit jeder Phase selbst.
Je länger er andauert, desto schwieriger wird es, ihn zu durchbrechen – ein klassisches Merkmal der „lower level equilibrium trap“.
Nur am Rande: In der obigen Darstellung sind die weiteren fatalen Folgen des Ganzen noch nicht berücksichtigt: Überlastung der Teams durch unbesetzte Stellen, sinkende Mitarbeiterzufriedenheit, Krankenstand, Fluktuation, sinkende Produktivität – und damit gravierende Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg.
Karriereseite immer ganzheitlich betrachten!
Um diesem Szenario zu entgehen, ist es entscheidend, die Karriereseite von Anfang an als ganzheitlichen Ansatz zu verstehen, die mentalen Modelle deiner Zielgruppen zu berücksichtigen und eine durchdachte Bewerbungsarchitektur zu implementieren, die eine positive Candidate Experience gewährleistet.
Die Komplexität des Employer Signalings
Die auf den heutigen Arbeitsmarkt übertragene Interpretation der Signaltheorie im Recruiting zeigt: Unternehmen müssen sich der Komplexität expliziter und impliziter Signale bewusst sein.
Ein ganzheitlicher Ansatz im Sinne einer Bewerbungsarchitektur berücksichtigt die Erwartungen von Jobsuchenden, stärkt die Arbeitgebermarke und reduziert das Risiko der „lower level equilibrium trap“.
Nur Unternehmen, die diese komplexen Zusammenhänge verstehen und aktiv gestalten, werden auf dem immer härter umkämpften Arbeitsmarkt erfolgreich sein. Dabei handelt es sich nicht um eine einmalige Maßnahme, sondern um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der fest in der Recruiting-Strategie verankert sein muss.
Merke: Das Fehlen positiver Signale oder das Überwiegen negativer Signale wiegt deutlich schwerer als die „bewusst“ gesendeten Signale.
Oder, frei nach Paul Watzlawick:
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